Presse – Rumble On The Beach Spex Interview 1986 – Spex 1986

Presse – Rumble On The Beach Spex Interview 1986 – Spex 1986

RUMBLE ON THE BEACH

Presse – Randale am Strand von Rumble On The Beach – Spex 1986
Presse – Randale am Strand von Rumble On The Beach – Spex 1986

Slade in Anführungszeichen oder Deutschland wie steht’s?
Lord Ulli von den Lords spielte vor ein, zwei Jahren — wie alt mag er wohl sein — in gestreiften Nena-Hosen mit seiner Band im Bierdorf zu Köln. Abgesehen von zufälligen Gästen gab es nur wenige, die sich der Geschichte der Lords als deutsche Beat-Band der Sechziger erinnerten. Und die waren eigentlich nur an diesen suspekten Ort gekommen, um zu sehen „wie fädich (hochdtsch: fertig, abgetakelt) der Typ is“. Gehört es zum Schicksal deutscher Rocktruppen, in Bierdörfern oder in schön-war-die-Zeit-Erinnerungen zu versanden? Die Situation in Deutschland stellt sich doch zur Zeit alles auf einen einfachen Nenner gebracht folgendermaßen dar: Neben Mega-Acts wie die Scorpions, Heimatland-Barden wie BAP, Lage oder Maahn, zuckersüßen Schlagerduos, Schwermetallern und New Wave-Feministinnen mit Hut gibt es die Neubauten und die Hosen und Tausende Sixties-, Psychedelia- und Psychobilly-Truppen treiben ihr Unwesen.

Und obwohl sich diese Auflistung des heimi-schen Spektrums recht vielfältig und agil anhört, jammern wir. Kein ernstzunehmender Act von in-ternationaler Bedeutung; nur schrammelnde Kids, die englisch singen, wo die Engländer ja eh besser sind. Oder Phänomene, welche die Volks-seele von Oggersheim oder Koblenz-Metternich zu streicheln. Dazu ein Kommentar der Suurbiers aus Berlin, die mir neulich eine Büchse ihres selbstgebrau-ten Biers schickten. „entgegen allen deinen Unkenrufen war unsere Tour recht erfolgreich. Nicht wie Suzanne Vega, wo mehr als zwei Drittel von 130 auf der Gästeliste standen. Du siehst, Pub-Rock hat Zukunft.“ Oder das letzte Konzert der Ärzte im Kölner Luxor: Fünf- oder sechsmal waren sie jetzt schon hier. Im Februar 1986, wo alles verraten und verramscht scheint, spielen sie zum ersten Mal vor ausverkauftem Haus. Symptomatisch! Oder Johnboy Walton von den Berliner Waltons, der auf der Durchreise zu seiner Freundin nach New York auf gar wunderliche Weise nachts um halb drei in einer rheinischen Kneipe stand, und sich kritisch aber korrekt über den Gartenzwerg-Zustand der „Szene“ äußerte. Viererbande am Biertisch Mit Vieren, die auch von ausverkauften Clubs träumen, sitze ich an einem zünftigen, dem Thema angemessenen Ort, dem unverwüstlichen Brauhaus Päffgen in der Kölner Friesenstraße.
Rumble an the Beach aus Bremen („einer is aus Bremen-Nord, das ist schon Ostfriesland“) sind am Tage des dritten Eishockey-Play-Off-Spiels in die Stadt des deutschen Meisters gekommen, um ihre „SillyBilly“-Single vorzustellen. Seit einem knappen Jahr werkeln die Anfang-Zwanziger im Rockabilly-Umfeld, verbraten auf ihrer Single Princens‘ „Purple Rain“ im Stomp-Rhythmus, wollen aber eigentlich „mit dem ganzen Einordnungskram nichts zutun haben“. „Wir haben halt auf der Rockabilly-Basis alles zusammengeschmissen, was die einzelnen Mitglieder so mitbrachten. Den einen kotzte die Sache mit den Brikettköppen (gemeint sind die Anhänger des sog. Psychobilly, siehe SPEX 2/86) schon lange an und dann kommt dann halt so was raus wie „Amsterdam“, für mich wie Slade in Anfüh-rungsstrichen.“ Sie erzählen Geschichten von Wochenendgigs im Süddeutschen, „kommste Montagsfrüh erst zurück und dann direkt zum Job“. (Zweimal Zivildienst, einmal Bund und eine Quasi-Lehre) und „Arsch aufreißen“ und „ich würd‘ sterben, wenn ich nicht spielen könnte.“ Rock’n-Roll-Geschichten, Autobahnen, Pannen und Bier—wieso oft vor ihrer Zeit. Erfahrungen in Erlangen und Bad Hersfeld bestätigen den Pub-Rock-Aufruf der Suurbiers. „Raus aus Bremen, da spielen, wo dich keiner kennt. War bisher totale Sahne, die ham‘ uns nicht mehr von der Bühne gelassen.“ Ich gedenke der Anfangstage von ZK oder später der Hosen. Jeder Tropfen der Palet-ten Hansa Pils wird mit einem Tropfen Schweiß bezahlt.

Goldgräbergeist, zieh hinaus zum Klondyke und find‘ dein Glück,“ oder wie Andy von den Toten Hosen neulich verlauten ließ: „Wir sind zwar immer noch nicht über den Berg, so finanziell und Existenzsicherung und so, aber wir hätten ja doch gemacht, was wir gemacht haben.“ Unverantwortlich, solche Dschungelphilosophien vom Stapel zu lassen? Die Beispiele von blutigen Fingern und am Ende dann doch nichts erreicht sind unzählig; wenn am Ende das miese Schwein steht und sagt: „Ihr wart halt nichtg ut ge-nug, so ist das im Show-Business. Vor einem Ende im Bierdorf bewahrt dich niemand.“ Rumble an the Beach stehen für viele ihrer Kollegen; mit ihrer Single und wie sie sich so gaben, hätten sie das Zeug weiterzukommen, vielleicht bei der Industrie zu landen, wie die Ärzte oder in-zwischen die Subtones. „Nur konstante Form müßt ihr zeigen, Jungs,“ sagt Sepp Herberger.

Ralf Niemczyk

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Slade in Anführungszeichen oder Deutschland wie steht's?
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Slade in Anführungszeichen oder Deutschland wie steht's?
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Rumble an the Beach aus Bremen („einer is aus Bremen-Nord, das ist schon Ostfriesland") sind am Tage des dritten Eishockey-Play-Off-Spiels in die Stadt des deutschen Meisters gekommen, um ihre „SillyBilly"-Single vorzustellen. Seit einem knappen Jahr werkeln die Anfang-Zwanziger im Rockabilly-Umfeld, verbraten auf ihrer Single Princens' „Purple Rain" im Stomp-Rhythmus, wollen aber eigentlich „mit dem gan-zen Einordnungskram nichts zutun haben". „Wir haben halt auf der Rockabilly-Basis alles zusammengeschmissen, was die einzelnen Mitglieder so mitbrachten.
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Spex