Rumble On The Beach – In der neuen Welt 

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– Das klassische Rock’n’Roll – Abenteuer anno ’88 –

Ein Bericht von Andreas Proff , geschrieben 1988 

„Aufwachen, die Bullen kommen gleich – wir sind ausgeraubt worden! “ Schlechter Scherz. Na ja, es ist Zeit zum Aufstehen – Ohlly hat ja recht. Aber irgendwie sitzen sie alle mit ziemlich bedrückten Gesichtern im Wohnzimmer unseres Apartments.
„Ist das wirklich wahr?“ „Jaaa!“ „Scheiße, das darf doch nicht wahr sein! RUMBLE ON THE BEACH ist am vierten Tag in Toronto und wird in der Nacht nach dem furiosen ersten Auftritt bei einer Party im Hotel mit den Toasters (New Yorker Ska Band) ausgeraubt.“ Hermann’s Lederjacke, meine Lederweste inklusive Ausweisen, USA-Visum und viel, viel Geld, ’n paar Jeans und, und, und.“ 

Böses Erwachen –

die Ereignisse überschlagen sich: Am Tag nach unserer Ankunft wollten wir die genauen Daten unserer Tour bei der Booking-Agency abholen. Ergebnis: von 12 schriftlichen vereinbarten Gigs waren 2 (in Worten: zwei!l) geblieben und 4 neue hinzugekommen, na immerhin. Die Tour war geplatzt! Wir entschieden uns dann gegen die Zertrümmerung des Büros und nahmen’s wie es uns gegeben ward… Durch Interviews mit Presse und Fernsehen bezüglich unseres ersten Auftrittes auf dem Canadian lnternational Festival of lndependent Music in Toronto, durch Feedbacks vom Konzert selber und nicht zuletzt durch eine Zufallsbekanntschaft aus dem Flugzeug (wir hatten wenigstens einmal Glück…) entwickelten wir reichlich Kontakte und arbeiteten uns bis zu den größten Agenturen durch. RUMBLE ON THE BEACH – in Kanada – Hacken ablaufen, 20x am Tag das übliche „How do y’doin‘, ?“ Taxigesellschaften sanieren und nach 3 Tagen den Stadtplan wegschmeißen.

 

Aber als wir beim früheren Prince-Promoter im Büro saßen

und ihn durch unsere Version von PURPLE RAIN begeisterten, wussten wir, wozu das alles gut ist (Prince hat jetzt übrigens auch die RUMBLE ON THE BEACH – LP „Rumble Rat“…). Die Verarschung durch die Agentur, der Raub und der durchschlagende Erfolg unseres ersten Konzertes hatten uns bei Medien und Business zu einer heißen Ware werden lassen. Nach einem kontinental ausgestrahlten Live-lnterview bei „Much Music“ (Musiksendung Nr.1) wurden wir sogar von unseren ständigen Begleitern, den Taxifahrern wiedererkannt.

Während die eine Hälfte mit Erfolg auf Business machte

, begannen die anderen, den bösen Dieb aufzuspüren. Wir hatten zufällig die richtigen Leute kennengelernt (hatten wir etwa noch ein zweites Mal Glück?) und Ansage war: „Wir kriegen die Sachen wieder!“ Also, bitte schön, eine Riesenmetropole mit Millionen von Einwohnern – da sollen wir unsere Sachen wiederfinden? Aber, schon nach einem Tag Szene-Kontakt war der Name herausgefunden und wir wurden mit einer bizarren Punk/Kutten Streetgang bekanntgemacht. Kensington-Market, Seitenstraße, Hinterhof, unscheinbare Tür, Keller, abgeblätterte Farbe – wie im Film. 

Rumble Racheengel

Die harten Jungs machen auch Musik und als unsere drei RUMBLE-Racheengel die Schweinerei schilderten, und den Namen des in der Skinhead-Szene beheimateten Diebes nannten, war der Fall klar: „This fuckin‘ asshole, that was the last fuckin‘ shit he ever did!“. ln der Tat, dort werden Meinungsverschiedenheiten mit dem Messer auch schon mal bis zum Exitus ausgefochten, und wir waren froh, die Jungs nicht gegen uns zu haben… Es wurden Freundschaften geschlossen und Kontaktpunkte wurden verabredet. Na ja gut, und? 

Aber als wir nach zwei Wochen alle unsere Sachen zurück hatten (natürlich ohne Geld, dafür aber mit Ausweisen und Visum, unentbehrlich für die U.S.A. Konzerte) waren Freude und Dank nicht zu knapp. Es ist schon witzig, wenn man in einen Second-Hand-Laden auf der Yonge-Street geht und fragt, ob schon etwas von den geklauten Sachen angekommen ist … 

Toronto

Doch natürlich ist Toronto eine Stadt, die nicht nur aus Unterwelt und Luxushotel besteht. Keine Arbeitslosigkeit, eine reales Wirtschaftswachstum, bei dem wahrscheinlich sogar unseren ständig lügenden Politikern schwindelig werden würde – das bedeutet Geld. South-Ontario ist das Zentrum Kanadas und Toronto ist die Metropole. Sehr „sophisticated“, Banken, Business und Boutiquen. Alle paar hundert Meter werden per Schaufensteraushang verschiedenste Arbeitskräfte gesucht.
 Das alles lässt darauf schließen, das Toronto sich binnen weniger Jahre in der Statistik der führenden Metropolen der westlichen Hemisphäre ein ganzes Stück vorarbeiten wird. 

Umso verblüffender ist es, das Toronto um 1.00 die Bürgersteige „hochklappt“, am heiligen Sonntage gar schon um 23.00 in der Früh. Logische Folge davon sind die sog. „Speak Easy“-Parties (ein Name, der aus der Prohibitionszeit entlehnt ist), wo sich erweiterte Freundeskreise privat treffen und Alkoholika unerlaubterweise, und dadurch natürlich zu knackigen Preisen, gedealt werden. Noch mehr ans Herz wuchsen uns aber die Booze-Cans, besonders MUTADDY’s. 

Illegale After-Hours-Kneipen

Unter den wenigen dieser illegalen After-Hours-Kneipen, deren Lagepläne im Vertrauen gehandelt werden (Adressen gibt es sowieso nicht), war uns dieser Hinterhofkeller-wie-im-Film die Liebste. Mutaddy, schwarzer Percussionist und Lebensweiser, betreibt einen Jazz-Club, in dem sich die Creme der Musik-Szene vor begeistertem Publikum trifft. Ausflüge zu Blues, Soul und Funk-Rock zogen uns auf die Bühne zu einer ausgedehnten Session mit Alex, dem ehemaligen Gitarristen von Prince Charles‘ City Street Band und jetzigem „James Brown von Toronto“. ln diesem „Saftladen“, wie auch in den anderen, wird selbstverständlich nur Milch, Wasser, Saft und Cola ausgeschenkt. Die Polizei weiß um die Existenz fast aller Booze-Cans und kontrolliert diese sporadisch, um Auswüchsen vorzubeugen. Solange es keine Zwischenfälle gibt, ist alles o.k. und man kann bei Kenntnis der entsprechenden blumigen Code-Namen Bier und hochprozentige Mixturen zu sich nehmen. Für uns „all-night-long“-gewohnte Bremer waren diese Zustände wie Chicago 1930 natürlich auch außerordentlich belustigend. 

WEITES LAND 

Nach einigen Gigs in Zentralkanada, nervenaufreibendem Agentur-Gerenne und nächtlicher Diebessuche waren wir froh, Toronto zu verlassen: 3-Tage Club-Engagement in Thunder Bay. „Thunder Bay? Do you know, where that is?“ Unsere Freunde in Toronto hielten uns für verrückt. 1300 km bedeuten in Europa die Entfernung Bremen-Genua mit Durchquerung von ca.10 Bundesstaaten in drei Nationen, oder Bremen-Riga, hinter den eisernen Vorhang – in Kanada befanden wir uns noch immer im selben Bundesstaat. 20 Stunden Fahrt zeigten uns riesige Wälder in herbstlichen Farben, deren Kraft man sich als Europäer nicht vorstellen kann. Vorbei an großen Seen, mal eine Tankstelle, mal ein Greyhound-Stop. Eine unglaubliche Pracht der Natur, durch ihre scheinbare Endlosigkeit befreiend – leider ähnlichen Umweltproblemen unterworfen wie Europa. Nach langer Fahrt, schlechtem Kaffee, Biberbauten und strahlend blauem Himmel, direkt auf die Bühne – am nächsten Mittag merkten wir, was Entfernungen bedeuten, als wir ausgepumpt in einer kuriosen finnischen Cafeteria mitten im „Nowhere-Land“ frühstückten.

Pancakes mit Ham & Eggs und Ahornsirup – köstlich! 

Der Melting-Pot ist eine erstaunliche Sache: ltaliener sprechen kein ltalienisch; „Oktoberfest is wunderbar from 7th to 11th October in Kitchener“; Menschen sprechen Englisch mit der berühmten amerikanisch/kanadischen Kartoffel im Mund und tragen französische, russische, slawische Namen usw. Neben vielen Asiaten trifft man meist Europäer der 3. oder 4. Generation. Leider haben die Auswanderer offensichtlich die mehrtausendjährige Erfahrung in puncto Lebenskultur zuhause zurückgelassen bzw. vergessen. 

Rumble-on-the-beach-15Laute Radiomusik beim Edelitaliener, der Kellner weiß nicht einmal die Namen der zwei Weine seiner „Weinkarte“. Stunden alter Kaffee wird in der Mikrowelle aufgewärmt, das Bier ist Chemie-verseucht und schmeckt beschissen. Bei einigen Konzerten in den U.S.A. erlebten wir es dann noch heftiger (an dieser Stelle ein Tipp für die Junk-Food-Spezialisten:
Hamburger bei McDonald’s schmecken genauso wie hier). 

Aber der American Way of Life

hat auch seine nicht zu unterschätzenden Vorzüge: Von hübschen jungen Damen im offenen Cabrio vom Konzert nach Hause gefahren zu werden, Luxusschlitten beim abendlichen „Cruisin‘ “ zu beobachten, machten viele Pannen wett, die einige der insgesamt 15 RUMBLE ON THE BEACH-Konzerte trübten. Bei defekten PA’s und kaputten Verstärkern vermissten wir oft deutsche Gründlichkeit und Organisation und verzweifelten am kanadischen Gleichmut. 

„They did a hell of a show“, hörte man oft in den Kommentaren der Szene und der Medien, wenn von RUMBLE ON THE BEACH die Rede war. Die Business-Leute waren verblüfft und das Publikum in der Regel zunächst überrascht, von unserem „scintillating modern way of Rock’n’Roll“. Plattenfirmen, wie BMG, Columbia Records und Alternative Tentacles (Dead Kennedys), besuchten Konzerte und zeigten Interesse für die nächste Tour. Geplant war auch ein Tour Support-Act für die STRAY CATS, aber nach dem Hören unserer Platten und den sich verdichtenden Gerüchten über die RUMBLE ON THE BEACH Live-Show, bekamen sie wohl kalte Füße und zogen vorerst ihr Interesse zurück. Nach allem, was wir an Höhen und Tiefen erlebt hatten, konnten wir auch diese Absage gelassen hinnehmen. 

Der Abschied

Zum Abschied trafen wir am letzten Abend mit einigen der führenden Bands in Toronto zum gemeinsamen Konzert und abschließender Jam-Session im vollen „Lee’s Palace“ zusammen. 

Es war für uns nicht einfach, dieses schöne Land zu verlassen, als großes Trostpflaster haben wir aber letztlich zwei Agenturen in Kanada und den U.S.A., die bereits jetzt unsere nächste Tournee vorbereiten. Und im Frühjahr geht es wieder auf ausgedehnte Tour ins Land der Eichhörnchen und Ahornblätter und in die U.S.A. 

Das klassische Rock’n’Roll-Abenteuer hat also auch bei uns zum Klischee-gemäßen Happy-End geführt…

 

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